Schubert’s Winterreise – tekst
Gute Nacht
Fremd bin ich eingezogen,
Fremd zieh’ ich wieder aus.
Der Mai war mir gewogen
Mit manchem Blumenstrauß.
Das Mädchen sprach von Liebe,
Die Mutter gar von Eh’, –
Nun ist die Welt so trübe,
Der Weg gehüllt in Schnee.
Ich kann zu meiner Reisen
Nicht wählen mit der Zeit,
Muß selbst den Weg mir weisen
In dieser Dunkelheit.
Es zieht ein Mondenschatten
Als mein Gefährte mit,
Und auf den weißen Matten
Such’ ich des Wildes Tritt.
Was soll ich länger weilen,
Daß man mich trieb hinaus?
Laß irre Hunde heulen
Vor ihres Herren Haus;
Die Liebe liebt das Wandern –
Gott hat sie so gemacht –
Von einem zu dem andern.
Fein Liebchen, gute Nacht!
Will dich im Traum nicht stören,
Wär schad’ um deine Ruh’,
Sollst meinen Tritt nicht hören –
Sacht, sacht die Türe zu!
Ich schreibe nur im Gehen
An’s Tor noch gute Nacht,
Damit du mögest sehen,
An dich hab’ ich gedacht.
Frühlingstraum
Ich träumte von bunten Blumen,
So wie sie wohl blühen im Mai;
Ich träumte von grünen Wiesen,
Von lustigem Vogelgeschrei.
Und als die Hähne krähten,
Da ward mein Auge wach;
Da war es kalt und finster,
Es schrieen die Raben vom Dach.
Doch an den Fensterscheiben,
Wer malte die Blätter da?
Ihr lacht wohl über den Träumer,
Der Blumen im Winter sah?
Ich träumte von Lieb’ um Liebe,
Von einer schönen Maid,
Von Herzen und von Küssen,
Von Wonn’ und Seligkeit.
Und als die Hähne kräten,
Da ward mein Herze wach;
Nun sitz ich hier alleine
Und denke dem Traume nach.
Die Augen schließ’ ich wieder,
Noch schlägt das Herz so warm.
Wann grünt ihr Blätter am Fenster?
Wann halt’ ich mein Liebchen im Arm?
Einsamkeit
Wie eine trübe Wolke
durch heit’re Lüfte geht,
wenn in der Tanne Wipfel
ein mattes Lüftchen weht:
So zieh ich meine Straße
dahin mit trägem Fuß,
durch helles, frohes Leben,
einsam und ohne Gruß.
Ach, daß die Luft so ruhig!
Ach, daß die Welt so licht!
Als noch die Stürme tobten,
war ich so elend nicht.
Die Post
Von der Straße her ein Posthorn klingt.
Was hat es, daß es so hoch aufspringt,
mein Herz?
Die Post bringt keinen Brief für dich.
Was drängst du denn so wunderlich,
mein Herz?
Nun ja, die Post kömmt aus der Stadt,
wo ich ein liebes Liebchen hatt’,
mein Herz!
Willst wohl einmal hinüberseh’n
und fragen, wie es dort mag geh’n,
mein Herz?
Der greise Kopf
Der Reif hatt’ einen weißen Schein
mir übers Haar gestreuet;
da glaubt’ ich schon ein Greis zu sein
Und hab’ mich sehr gefreuet.
Doch bald ist er hinweggetaut,
hab’ wieder schwarze Haare,
daß mir’s vor meiner Jugend graut –
wie weit noch bis zur Bahre!
Vom Abendrot zum Morgenlicht
ward mancher Kopf zum Greise.
Wer glaubt’s? und meiner ward es nicht
auf dieser ganzen Reise!
Die Krähe
Eine Krähe war mit mir
Aus der Stadt gezogen,
Ist bis heute für und für
Um mein Haupt geflogen.
Krähe, wunderliches Tier,
Willst mich nicht verlassen?
Meinst wohl, bald als Beute hier
Meinen Leib zu fassen?
Nun, es wird nicht weit mehr geh’n
An dem Wanderstabe.
Krähe, laß mich endlich seh’n,
Treue bis zum Grabe!
Letzte Hoffnung
Hie und da ist an den Bäumen
manches bunte Blatt zu seh’n,
und ich bleibe vor den Bäumen
oftmals in Gedanken steh’n.
Schaue nach dem einen Blatte,
hänge meine Hoffnung dran;
spielt der Wind mit meinem Blatte,
zittr’ ich, was ich zittern kann.
Ach, und fällt das Blatt zu Boden,
fällt mit ihm die Hoffnung ab;
fall’ ich selber mit zu Boden,
wein’ auf meiner Hoffnung Grab.
Im Dorfe
Es bellen die Hunde, es rascheln die Ketten;
es schlafen die Menschen in ihren Betten,
träumen sich manches, was sie nicht haben,
tun sich im Guten und Argen erlaben:
Und morgen früh ist alles zerflossen.
Je nun, sie haben ihr Teil genossen
und hoffen, was sie noch übrig ließen,
doch wieder zu finden auf ihren Kissen.
Bellt mich nur fort, ihr wachen Hunde,
laßt mich nicht ruh’n in der Schlummerstunde!
Ich bin zu Ende mit allen Träumen—
was will ich unter den Schläfern säumen?
Der stürmische Morgen
Wie hat der Sturm zerrissen
des Himmels graues Kleid!
Die Wolkenfetzen flattern
umher im matten Streit.
Und rote Feuerflammen
zieh’n zwischen ihnen hin;
Das nenn’ ich einen Morgen
so recht nach meinem Sinn!
Mein Herz sieht an dem Himmel
gemalt sein eig’nes Bild –
es ist nichts als der Winter,
der Winter, kalt und wild!
Täuschung
Ein Licht tanzt freundlich vor mir her,
ich folg’ ihm nach die Kreuz und Quer;
ich folg’ ihm gern und seh’s ihm an,
daß es verlockt den Wandersmann.
Ach! wer wie ich so elend ist,
gibt gern sich hin der bunten List,
die hinter Eis und Nacht und Graus
ihm weist ein helles, warmes Haus.
und eine liebe Seele drin –
nur Täuschung ist für mich Gewinn!
Der Wegweiser
Was vermeid’ ich denn die Wege,
wo die ander’n Wand’rer gehn,
suche mir versteckte Stege
durch verschneite Felsenhöh’n?
Habe ja doch nichts begangen,
daß ich Menschen sollte scheu’n, –
welch ein törichtes Verlangen
treibt mich in die Wüstenei’n?
Weiser stehen auf den Strassen,
weisen auf die Städte zu,
und ich wand’re sonder Maßen
ohne Ruh’ und suche Ruh’.
Einen Weiser seh’ ich stehen
unverrückt vor meinem Blick;
eine Straße muß ich gehen,
die noch keiner ging zurück.
Das Wirtshaus
Auf einen Totenacker
hat mich mein Weg gebracht;
Allhier will ich einkehren,
hab’ ich bei mir gedacht.
Ihr grünen Totenkränze
könnt wohl die Zeichen sein,
die müde Wand’rer laden
ins kühle Wirtshaus ein.
Sind denn in diesem Hause
die Kammern all’ besetzt?
Bin matt zum Niedersinken,
bin tödlich schwer verletzt.
O unbarmherz’ge Schenke,
doch weisest du mich ab?
Nun weiter denn, nur weiter,
mein treuer Wanderstab!
Mut!
Fliegt der Schnee mir ins Gesicht,
schüttl’ ich ihn herunter.
Wenn mein Herz im Busen spricht,
sing’ ich hell und munter.
Höre nicht, was es mir sagt,
habe keine Ohren;
fühle nicht, was es mir klagt,
Klagen ist für Toren.
Lustig in die Welt hinein
gegen Wind und Wetter!
Will kein Gott auf Erden sein,
sind wir selber Götter!
Die Nebensonnen
Drei Sonnen sah ich am Himmel steh’n,
hab’ lang und fest sie angeseh’n;
und sie auch standen da so stier,
als könnten sie nicht weg von mir.
Ach, meine Sonnen seid ihr nicht!
Schaut Andren doch ins Angesicht!
Ja, neulich hatt’ ich auch wohl drei;
nun sind hinab die besten zwei.
Ging nur die dritt’ erst hinterdrein!
Im Dunkeln wird mir wohler sein.
Der Leiermann
Drüben hinterm Dorfe
steht ein Leiermann
und mit starren Fingern
dreht er, was er kann.
Barfuß auf dem Eise
wankt er hin und her
und sein kleiner Teller
bleibt ihm immer leer.
Keiner mag ihn hören,
keiner sieht ihn an,
und die Hunde knurren
um den alten Mann.
Und er läßt es gehen
alles, wie es will,
dreht und seine Leier
steht ihm nimmer still.
Wunderlicher Alter,
soll ich mit dir geh’n?
Willst zu meinen Liedern
deine Leier dreh’n?